Warum jeder singen lernen kann

Dr. Eckhart von Hirschausen meinte: „Der menschliche Körper ist zum Singen geboren, denn der Kehlkopf kann über mehrere Oktaven singen. Sprechen tun wir allerdings nur auf einer Stimmlage. Wäre unser Kehlkopf nur fürs Sprechen gemacht, bräuchten wir so einen komplizierten Stimmapparat nicht.“

 

Ein großer Teil meines Erfahrungsschatzes liegt natürlich in der Forschung rund um meine eigene Stimme. Denn gerade nach meiner Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin entdeckte ich die immense Wirkung der mentalen Arbeit. So habe ich nicht nur mein Wissen rund um die Anatomie, diverse Gesangs- und Körperübungen z.B. aus dem Qi Gong, sondern auch mentale Übungen in meinen Unterricht mit einbezogen. Das Ergebnis bestätigte meine Annahme:  Ja - JEDER kann singen lernen. Unser Körper kann einfach singen. Wunderschön, richtig intonierend, im Rhythmus und ohne lästige Übergänge.

 

Die Voraussetzung dabei ist allerdings, dass unser Körper einfach seinen Job in Ruhe erledigen können muss. Das schließt mit ein, dass Vorgänge im Körper, wie Atmung, Stimmfunktion, Entspannung usw. zu seiner ursprünglichen und gesunden Form zurück finden müssen. Denn WIE die Stimme optimal funktioniert ist in uns ja bereits angelegt. Das kann man bei Babys beobachten, die ja z.B. stundenlang durch schreien können, ohne heiser zu werden. Im Laufe des Erwachsen Werdens verlernen wir dann die gesunde ökonomische Stimmatmung und überbelasten unseren Stimmapparat, weshalb er einfach nicht mehr optimal arbeiten kann und neben Heiserkeit auch das Töne treffen einfach unmöglich wird. Verspannungen im Körper – vor allem um die Schulterpartie – verhindern ebenso ein entspanntes Arbeiten des Kehlkopfes, genauso wie die Resonanzräume im Körper verengt sind und den Ton nicht ausreichend verstärken. Im Laufe des Lebens entwickelt wir dann individuelle Methoden, die Lautstärke bewirken sollen. Das Ergebnis sind dann Intonationsschwächen, der Klang der Stimme ist alles andere als schön und Heiserkeit oder ähnliche Stimmprobleme sind an der Tagesordnung.

 

Und dann gibt es da auch noch die Seite der Gedanken, die einen massiven Einfluss auf unseren Körper haben und somit darauf ob unser Körper einen „Job“ frei erledigen kann. Gedanken wie „Ich kann nicht singen“, „Ich treffe keinen Ton“ oder ähnliches schnüren die Kehle zu, verhindern ein entspanntes Atmen oder ein Verstärken des Tons in den Resoanzräumen. Die Tatsache, dass wir gerne uns und unser Umfeld kontrollieren wollen, ist beim Singen nicht förderlich. Denn einerseits können wir ja unsere Stimmbänder (Stimmlippen) gar nicht sehen – wie sie sich dehnen um den richtigen Ton zu treffen – und andererseits würde ein bewusstes Steuern wollen ja genau die Arbeit des Kehlkopfes beeinträchtigen.

 

In meiner Arbeit habe ich immer wieder beobachtet, dass die meisten dann richtig singen, wenn sie abgelenkt sind. Also eine mentale Übung machen und sich z.B. ganz bewusst etwas vorstellen oder ganz gezielt in den Körper hinein spüren. Dann treffen sie den Ton. Sobald sie sich selbst bewerten, ist der Ton auch schon falsch. Das selbe Phänomen habe ich beim Rhythmus entdeckt. Ohne Frage war oder ist es förderlich sein leben lang von Menschen umgeben zu sein, die „Rhythmus im Blut haben“ oder gar selbst zu tanzen. Aber auch hier sind es einfach die Gedanken, die unser ureigenes Rhythmusgefühl beeinträchtigen. Das ist auch der Grund weshalb ich im Unterricht ganz bewusst ohne Noten arbeite. Ohne Frage sind Noten eine wunderbare Sprache, die es Musikern ermöglicht effizient und einfach zu kommunizieren. Doch vermitteln sie gerade in unserem Kulturraum das Gefühl man könnte Rhythmus er-zählen – also mit unseren Gedanken steuern. Nein, denn Rhythmus ist auch etwas, das in uns steckt. Lassen wir unseren Körper hier einfach seinen Job machen, während unsere Gedanken bewusst den Genussaspekt fokussieren oder den Flow wahrnehmen, der entsteht, wenn einfach alles perfekt zusammenarbeitet – in uns drinnen – dann klappt es auch einfach. Ist diese Schwelle überschritten, dann entsteht ein tiefes Vertrauen zur eigenen Stimme, zum Gesang und zum Rhythmus und erst dann kommen die Noten und das Zählen.

 

Zusammenfassend kann ich sagen: Jeder kann singen können. Schön. Richtig und im Takt. Menschen von denen wir behaupten sie hätten Talent, sind einfach jene, die sowohl körperlich als auch mental einen Vorsprung haben. All jene, die noch falsch singen oder noch keine schöne Stimme haben, gilt es einfach dem Körper zu helfen zu seiner ursprünglichen Stimmfunktion zu finden UND einen gedanklichen Raum entstehen zu lassen, der uns sagt „Ja ich kann es doch“, damit die Gedanken nicht „reinpfuschen“ und der Körper einfach seine Arbeit erledigen kann. Entspannt. Richtig und wunderschön.

 

Wie hoch oder tief du singen wirst können und welche Klangfarbe du hast, sind anatomisch vorgegeben. Wie sehr du andere Menschen mit deiner Stimme begeistern wirst können, liegt an der Stärke deiner mentalen Kraft und an deiner Liedauswahl. Denn wie gesagt, die Anatomie gibt dein Stimmtimbre vor. Fallen dein Musikgeschmack und deine einzigartige Stimme perfekt zusammen UND du kannst vor anderen Menschen dein Lied in vollen Zügen genießen, dann wirst du auch andere Menschen begeistern können. Aus meiner Sicht muss dies aber keinesfalls das Ziel beim Singen lernen sein. Denn es gibt nichts Schöneres als sich selbst in vollen Zügen genießen zu können, zu spüren wie die Vibrationen des Klanges sich in den Resonanzräumen des Körpers ausbreiten und wunderschöne Lieder zu singen, die einen selbst einfach berühren und man weiß: „Ja, ich kann es!“.

 

Romana Ackumey, Stimmgenuss-Coach

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